20. Mai 2022

Betrügen als Geschäftsmodell: Fynn Kliemann und die Banker von MM Warburg

Foto: Shutterstock, Bored Photo

Fynn Kliemann – Weltverbesserer: Aber nicht wenn's um eigenen Profit geht

Noch bis vor Kurzem: makelloses Image! Wikipedia, Webvideopreis, Düsseldorf 2017, CC BY 2.0

Der Unternehmer, Influencer und Musiker mit der bis dato weißen Weste engagiert sich sozial, für die Umwelt, gegen Rassismus, für Fair Trade und alles, was gutes Image sowie eine hohe mediale Reichweite bringt. Dafür sorgen auch die unzähligen YouTube-Filme, in denen der Macher zeigt, wie man mit Do-it-Yourself beispielsweise aus Schrott faszinierende neue Produkte herstellt. Für viele junge Menschen war der sympathische Kliemann so eine Art Idol, ein moderner Robin Hood.

Bis zum Freitag, dem 6. Mai. Als Jan Böhmermann seine investigativen Recherchen zum Geschäftsgebaren des Medienstars in seiner Sendung ZDF Magazin Royale präsentierte. Kern der Vorwürfe: Entgegen Angebot ließ Kliemann Corona-Schutzmasken im kostengünstigen Bangladesch und nicht in Europa produzieren. Verkauft hat er diese Produkte allerdings zu europäischen Preisen. Zudem sollen mit großem PR-Tamtam beschädigte Produkte an Flüchtlinge gespendet worden sein. Den vermeintlichen Betrug – Ermittlungen stehen an – versucht der Medienstar inzwischen mit wenig plausiblen Verlautbarungen auf Instagram zu rechtfertigen.

Tiefer Sturz als Konsequenz des vermeintlichen Betrugs

Die Folgen für das eigene Image und seine Unternehmen sind fatal: Die Tafel kündigt eine Vereinbarung mit seiner LDGG Immobilien GmbH, der imageträchtige Nachhaltigkeitspreis 2020 wird ihm im Nachhinein aberkannt, der Online-Händler about you nimmt seine Masken der Marke ODERSO aus dem Sortiment, der klimafreundliche und nachhaltige Wasserproduzent Viva con Agua beendet die Zusammenarbeit, was gleichermaßen für die Kooperation mit dem Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli gilt… Ein wesentlicher Partner seines Freizeitparks und Urlaubsressorts Kliemannsland, der Energieversorger EWE, soll die Zusammenarbeit auf den Prüfstand stellen.

Bastler Kliemann ist ein Meister der Selbstinszenierung (Foto Facebook)

Lauwarme Klarstellung sorgt für wenig Transparenz

Ob man dem Unternehmer glauben kann? Er selbst behauptet, nichts von der Produktion in Asien gewusst zu haben. Darüber hinaus sei er nicht Gesellschafter der Firma Global Tactics, welche die Masken lieferte. Insofern sei er auch weder Produzent, noch Verkäufer. Trotzdem möchte er die volle Verantwortung übernehmen. Passt das zusammen?

In einer veröffentlichten WhatsApp-Nachricht bezeichnete er das Geschäft mit „Krise kann auch geil sein.“ Er will damit gemeint haben, dass mit der Maskenproduktion Arbeitsplätze geschaffen werden, gibt aber auch zu, dass sich die Message „auf Geld verdienen“ bezogen hat. So soll ihm der Masken-Deal eine halbe Million Euro eingebracht haben, bestätigt er im Interview mit dem Spiegel. Immerhin gibt er im Entschuldigungs-Video zu, den Wertekompass aus den Augen verloren zu haben.

Fazit gemäß immer noch aktuellem Motto der alten Römer: „Pecunia non olet!“ (Geld stinkt nicht.)

Die Banker von MM Warburg – Gier frisst Hirn

Mit der Nutzung von Gesetzeslücken oder Betrug den Fiskus schädigen. (Foto: Shutterstock, pathdoc)

Seit Jahren stehen zwei Begriffe stellvertretend für die strategisch geplante Plünderung der deutschen Staatskasse: „CumEx“ und „CumCum“! Dabei geht es nicht um Kleingeld. Gut 35 Mrd. Euro beträgt der Schaden für den Bund und somit den deutschen Steuerzahler. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt wurden im Jahr 2021 gut 47 Mrd. Euro für Verteidigungsausgaben der Bundeswehr eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Köln bearbeitet derzeit über hundert Verfahren mit rund 1.400 Beschuldigten.

Von 2007 bis 2011 führte die Hamburger Warburg Bank eigene Geschäfte mit deutschen Aktientiteln über den Dividendenstichtag aus. Für diese Aktienkäufe wurde eine Kapitalertragssteuer in Höhe von ca. 169 Mio. Euro angerechnet. Der Gewinn der Privatbanker aus diesen unsauberen Geschäften betrug rund 46 Mio. Euro nach Steuern. Nach dem Gerichtsverfahren und Urteil des Landgerichts Bonn musste die Warburg Bank 155 Mio. Euro für Hamburger Großunternehmen an das Finanzamt Hamburg zurückzahlen.

Anrüchige Kommunikation der Warburg Bank mit Politik und Finanzbehörden?

Ein ausgemachter Skandal: Bereits 2016 informierte das Bundesfinanzministerium (BMF) die Hamburger Finanzbehörde darüber, dass sich die Warburg Bank ca. 47 Mio. Euro unberechtigt mit CumEx-Geschäften beschafft hat. Diese Forderung drohte zu verjähren, verjährte dann tatsächlich… Warum? Die Hamburger Behörden blieben untätig! Es wurde das Argument eines möglicherweise unsicheren Rechtsstreits gegen die Bank vorgeschoben. Recherchen von NDR und Die Zeit belegen, dass sich der damalige Warburg-Chef Christian Olearius mehrfach zum Thema mit SPD-Spitzenpolitikern getroffen hat, u.a. auch mit dem damaligen Hamburger Senatschef Olaf Scholz. In dieser Zeit war die Warburg Bank Parteispender für die SPD, was Zufall sein kann…

MM Warburg – verstrickt in Finanz- und Politikskandal (Foto: Shutterstock, nitpicker)

Vereinfacht dargestellt geht es bei CumEx-Geschäften um Folgendes: Finanzmarkt-Profis beraten wohlhabende Menschen, Investoren bzw. deren Private Offices unter dem Aspekt der Nutzung von Gesetzeslücken. So wurden vom Fiskus Steuerrückerstattungen für Steuern erstattet, die niemals bezahlt wurden. Inzwischen ist klar: Es handelt sich hierbei um Bandenkriminalität in großem Stil! Konkret: Es geht um die Besteuerung von Dividenden! Die Komplizen ließen untereinander Aktien zirkulieren. Und zwar in derartiger Intensität, dass dem Fiskus nicht mehr klar war, wem diese eigentlich gehörten. Rund um den Tag einer Hauptversammlung wurden Aktien mit („Cum“) und ohne („Ex“) Dividendenanspruch im Kreis unterschiedlicher Beteiligter hin- und hergeschoben. So konnte es mehrere Besitzer einer Aktie geben, die alle die Dividende in Anspruch nahmen.

Die Spitze des Eisbergs ist aufgedeckt – mehr nicht

Die Staatsanwaltschaft Köln kommt inzwischen bei der Aufklärung und Verurteilung voran. Seit dem ersten Prozess im März 2020 ist geklärt: CumEx-Steuergeschäfte waren illegal und kriminell! Weil niemand so richtig wusste, um was es hierbei eigentlich geht und die Politik den vermeintlichen Skandal eher widerwillig erkennen wollte, war beim Start der Ermittlungen nur eine (!) Staatsanwältin aus Köln auf das Thema angesetzt. Und das im erbitterten Kampf gegen Profis mit viel Geld zum Verschleiern, für Lobbyismus-Aktivitäten…

CumEx konnte solche Dimensionen erreichen, weil eine Heerschar an Wirtschaftsprüfern, Anwälten und Universitätsprofessoren Gutachten erstellten, die den krummen Geschäften Absolution erteilten. Als Triebfeder des Lobbyismus gilt der Bundesverband deutscher Banken (BdB), der wiederholt Gesetzesvorschläge für die Finanzbehörden lieferte, die dann mehr oder weniger als Gesetzesvorlagen dienten. Oberster Finanzaufseher als Finanzminister waren im Tatzeitraum Dr. Wolfgang Schäuble und der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz.

Fazit gemäß alter Bauernregel: „Geld ist wie Wasser, das find´ immer seinen Weg.“

Lesen Sie ebenfalls zum Thema „Betrügen als Geschäftsmodell“ unseren Artikel zu Jan Marsalek (Wirecard) und Ralf Simon:

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