Christopher Froome im gelben Trikot des Spitzenreiters bei der Tour de France 2016. (Foto: Shutterstock / Frederic Legrand – COMEO)
Es ist wieder soweit: Seit 1903 hat sich der „Mythos Tour de France“ Jahr für Jahr aufgebaut. Das härteste Radrennen der Welt, die Tour de France, startete am Freitag in Kopenhagen mit einem Zeitfahren über insgesamt 3.300 Kilometer Gesamtstrecke. Nach zwei Flachetappen in Dänemark geht es Dienstag in Frankreich weiter. Noch 18 Etappen stehen dann an – vom französischen Calais über Lausanne in der Schweiz und die Pyrenäen im französischen Süden bis zum Finale nach Paris am 24. Juli.
Favoriten auf den Gesamtsieg sind diesmal zwei Slowenen – Titelverteidiger Tadej Pogacar und sein Landsmann Primoz Roglic. Pogacar ist aktuell der einzige unangefochtene Superstar der internationalen Radsport-Szene. Alle Fachleute wetten darauf, dass der Kapitän des UAE Emirates-Teams nach den beiden glanzvollen Siegen in den Vorjahren auch in diesem Jahr gewinnt und sich den Tour-Hattrick holt.
Radsport-Fans vergessen Skandale der Vergangenheit schnell
Innerhalb einer Woche vor dem Tour-Start erfolgte bereits die zweite Doping-Razzia bei unterschiedlichen Teams. Die Veranstalter zeigen sich mindestens bemüht, gegen Doping aktiv vorzugehen. Wie in jedem Jahr behaupten alle Teams sauber bleiben zu wollen – aber jedermann in der Szene weiß: Die Grauzone von Dopingmitteln, die bereits auf dem Index stehen und immer neuen Präparaten, die von Pharmaspezialisten speziell für die Fahrer der Tour entwickelt werden und meist erst im Nachhinein identifiziert werden können, ist fließend. Diese Grauzone wird geduldet! Denn der Druck auf alle Beteiligten ist immens. Und: Die Rennsportfans vergessen schnell! So hat der Skandal des flächendeckenden Dopings vor einigen Jahren zwar Narben hinterlassen, aber die Faszination der Tour de France ist mittlerweile so hoch wie noch nie. In Deutschland mag man immer noch kritisch sein, aber neue „Fahrradsport-Nationen“ wie China, USA oder Russland bringen zusätzlich enorme TV-Einschaltquoten.
Tagtäglich wunderbare Geschichten über Helden, Gewinner und Verlierer
Ein schwacher Tag, ein unverschuldeter Sturz, ein taktischer Fehler in einer heiklen Situation, kann die akribische Arbeit von Wochen in der Vorbereitung in einem Moment zunichte machen. Diese Drucksituation steht für den „Mythos Tour de France“!
Auch die Geschichte der Tour ist Teil des Mythos: Die Zeitung L´Auto hatte 1903 die Idee zu diesem Radrennen – um die eigene Auflage zu steigern. Heute organisiert der Familienkonzern Amaury, der u.a. auch die Sportzeitung L´Equipe betreibt, dieses Renn-Spektakel. Für das in Frankreich führende Sportmedium ergeben sich aus der Tour tagtäglich spannende Geschichten über die Helden der Landstraße, über Verlierer und Gewinner. Wer erinnert sich noch an den Sommer 1989, als Favorit Laurent Fignon als Führender im Gelben Trikot am Schlusstag beim Zeitfahren in Paris mit acht Sekunden Rückstand auf Greg LeMond verlor. Dieser feierte mit seinem erneuten Sieg ein wunderbares Comeback, nachdem er kurz vor der Tour einen schweren Jagdunfall hatte und sich mit zig Schrotkugeln im Körper zum Sieg quälte.
Alljährlich „Talk of the Month“ – bei der Vermarktung im Schatten von König Fußball
In Sachen Vermarktung hat sich in den vergangenen 20 Jahren wenig geändert. So erzielt der Veranstalter wesentliche Einnahmen durch die Werbung von Sponsoren. 60 % der Einnahmen werden durch TV-Übertragungsrechte erzielt. Das waren in den vergangenen Jahren immerhin gut 100 TV-Sender, die in 190 Länder übertragen haben. 60 TV-Kanäle übertragen in der Regel live von den Etappen. Darüber hinaus müssen die Städte dafür bezahlen, dass Etappen in der Kommune gestartet oder beendet werden. Da die Umsatzzahlen nicht transparent veröffentlicht werden, kann man Zahlen nur vermuten. Experten schätzen aktuell, dass die Tour für die Veranstalter um die 200 Mio. Euro erwirtschaftet. Zum Vergleich: Im WM-Jahr 2022 dürfte die FIFA gut sieben Mrd. Euro an Umsatz generieren.
Schwer haben es die einzelnen Profi-Teams: Das Jahresbudget ambitionierter Teams für die Fahrer, Mechaniker, medizinische Abteilung und Logistik beträgt ca. 18 Mio. Euro. Refinanziert werden diese Kosten ausschließlich durch Sponsoring. Umso höher ist der Erfolgsdruck, der auf den Fahrern lastet! Im Gegensatz zu anderen Sportarten kann man mit Profi-Radsport nicht gerade reich werden. Die Profis verdienen um die 350.000 Euro p.a., der Slowene Pogacar soll mit rund sechs Mio. Euro p.a. Spitzenverdiener im weltweiten Radsport-Zirkus sein.
Eine Hommage an den besten, den Deutschland jemals hatte...
Über die Bild-Zeitung hat sich jetzt auch der durch diverse Dopingskandale gestürzte Ex-Radsport-Held Jan Ullrich zu Wort gemeldet. Denn: Vor 25 Jahren triumphierte der gebürtige Rostocker bei der Tour. Eine vor Kurzem von der ARD veröffentlichte Dokumentation mit dem Titel „Being Jan“ beleuchtet noch einmal eindrucksvoll die einzigartige Karriere des einstigen Titans.